Liebes Ruhrgebiet und Rest vonne Welt, die letzte Zeit war ganz schön doof. Tja, doofe Zeiten kennt wohl jeder. Aber ganz manchmal hat man Glück. Dann fällt einem aus dem Nichts plötzlich etwas Schönes auf den Kopf. So wie damals, als mir zu Schulzeiten mal eine Taube in der großen Pause auf den Kopf gekackt hat. Nur eben umgekehrt. Also in schön. Aber genauso plötzlich und unerwartet.
Genau das war der Fall, als ich am Donnerstag ganz kurzfristig von
Visit Flanders gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, am nächsten Tag gemeinsam mit
Fee und
Maren für einen kleinen Bloggertrip nach Gent zu reisen. Ich habe nicht mal nachgedacht. Ich habe einfach JA gesagt, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, was mich in Gent erwartet oder ob mir die Stadt zumindest in der Theorie überhaupt gefallen könnte. Ein klarer Fall von "Raus?" - "JO!" in gewagter Kombination mit "Einfach machen!". Und das war das Beste, was mir passieren konnte. Denn wenn man nichts erwartet, kann die Freude über das Schöne noch viel toller reinhauen. Und ich nehme es gerne vorweg: Gent hat reingehauen - und zwar sowas von!

Außerdem hat sich mal wieder bewiesen: Im Ruhrpott is alles umme Ecke, denn mit der Bahn ist man - SCHWUPPS - in
Flandern. Flandern ist übrigens ein tolles Wort. Klingt für mich irgendwie nach einer sympathischen Mischung aus Flanieren und Wandern mit einer angemessenen Prise Gemütlichkeit. Außerdem klingt Flandern nach einem Ort, an dem nette Menschen wohnen. Aber dieser gefühlte Phonetik-Eindruck mag auch vielleicht einfach nur meiner Liebe zu den Beneluxländern im Allgemeinen geschuldet sein.
Die meisten Menschen, die nach Flandern reisen, landen vermutlich in Brügge. Brügge kennt man halt. Man weiß, dass es dort sogar so schön sein soll, dass man auch getrost versterben könnte, wenn man die Stadt erst mal gesehen hat. (Wer jetzt denkt: Was redet sie denn da schon wieder?! ...dem sei gesagt, dass es einen Film mit dem Titel "Brügge sehen und sterben" gibt.) Dieser Ruf sei Brügge gegönnt. Aber neben Brügge gerät Gent leider eindeutig ins Hintertreffen. Und damit bin ich ab sofort nicht mehr einverstanden.
Gent ist keine kleine, flämische Stiefschwester von Brügge, sondern ein echter Städtetrip-Star herself!
Und deshalb lege ich Euch heute meine ganz persönlichen Gentissimo-Tipps ans geneigte Reiseherz und sage: Da MÜSST Ihr hin! Und los geht's:
In baulicher Hinsicht hat mich am meisten die
Genter Stadshal beeindruckt. Mitten im historischen Teil der Stadt ragt die asymmetrische Halle mit ihrem 40 Meter langen Holzdach hervor und sorgt für einen so sagenhaften Kontrast, dass einem glatt die Kinnlade runterfällt und man sich wirklich magisch angezogen fühlt. So erging es zumindest mir. Gesichtet, totaaaal maaagischer Moment und "Was ist DAS denn? Da muss ich hin!" gerufen.
Nun seht Ihr diese Hutzeldächer, zieht die Stirn kraus und denkt Euch "Jooo, voooll magisch! Pfff!", aber dann wartet mal ab...
Die Genter selbst haben wohl ordentlich gezetert und aufbegehrt, als der Bau der Stadthalle direkt neben dem Genter
Belfried, einem der Wahrzeichen der Stadt und zudem noch Weltkulturerbe (zu sehen auf dem vorletzten Foto), anstand. Stichwort "Verschandelung" und so. Aber als der Bau dann 2012 abgeschlossen war, erkannten die Bewohner von Gent zum Glück doch noch den "WOW!"-Effekt, der sich vor allem auch durch den Kontrast zum historischen Umfeld bietet, und waren begeistert.
Auch bei Nacht ist die Halle ein echter Hingucker, denn dann ist sie kunstvoll beleuchtet, was noch mal für einen tollen Effekt sorgt. Unter der Halle befinden sich übrigens ein Fahrradparkplatz, eine Kneipe, eine öffentliche Toilette und ein Brunnen.
Bleiben wir noch kurz beim Thema Kontraste, denn man könnte auch getrost sagen: In Gent wird einem ein Cocktail aus Chaos präsentiert - und zwar im allerbesten Sinne.
Ich habe selten eine Stadt erlebt, in der sich so viele Baustile so lustig die Hand reichen. Nun bin ich ja kein Experte und könnte großartig Bauwerke aus der Renaissance oder der Gotik als solche erkennen und benennen. Aber selbst als Flanier-Laie kann man in Gent den wirklich unglaublich charmanten Mix aus Zeitgeist, Kultur und Geschichte einfach fühlen.
Imposante Fassaden, bunte Häuser, in sich gebogene Fenster, Burgen, Kirchen, eine Fleischerhalle aus dem 15. Jahrhundert, in der der typische Genter Ganda-Schinken von der Decke baumelt, kleine Flussstraßen mit farbigen Kuttern, Klöster, wunderschön verzierte Brücken undundundundund. Das alles mehr oder weniger direkt nebeneinander bzw. auf einem Haufen. Als Fotofreund kann man hier den Hals wirklich kaum voll kriegen!




Auf dem letzten Foto hier seht Ihr übrigens im Hintergrund
das kleinste Café der ganzen Stadt. Und in der Vespa-Rückspiegelung ist die
Fleischerhalle zu erkennen. Früher dienten diese Fleischhäuser als überdachte Marktplätze. Heute befindet sich darin das Verkostungszentrum für ostflämische regionale Spezialitäten. Wenn man reingeht, steigt einem direkt ein besonderer Geruch in die Nase, was vielleicht an den großen Genter Ganda-Schinkenbollen liegt, die vom alten, offenen Holzgebälk herabbaumeln. Aber ehrlich gesagt hab ich mir eingebildet, dass man hier einfach die Zeit vergangener kulinarischer Marktstände riechen könnte. Und damit sind wir auch schon beim nächsten Stichwort...
Ich glaube, ich habe selten so viel und so lecker in solch kurzer Zeit gegessen wie in Gent. Also merke: In Gent gibbet nicht nur viel zu sehen, sondern auch noch viel zu futtern, denn die flämische Küche hat tatsächlich nicht umsonst einen ausgezeichneten Ruf!
Schwer beeindruckt hat mich ein Restaurant, das Fast Food anbietet. Ja, genau: Fast Food! Und damit meine ich NICHT die belgischen Pommes, obwohl die natürlich auch nicht zu verachten sind. Kurz nach unserer Ankunft waren wir bei
Balls and Glory und bekamen wirklich oberoberobergrandiose, handgemachte Fleisch
bällchenballen serviert. Fleisch
bällchenballen klingen unspektakulär?! PHÖ! Aber nicht diese hier:

Diese Klopse sind handgemacht UND gefüllt...und zwar mit den raffiniertesten flüssigen Füllungen überhaupt! Zum Beispiel mit Raclettekäse und Speck oder mit Hühnchen und Apfel oder mit Chicorée und Senf oder, oder, oder. Es gibt Standard-Balls und zusätzlich zwei wechselnde Tagesvarianten. Dazu werden kreative Salate (hier im Bild: Quinoa-Spinat-Salat mit Feta und Roter Beete) und Bauernpüree (Kartoffelstampf meets Möhreneintopf) nebst deftigen Soßen serviert. Ganz ehrlich: Für nicht vegetarische Freunde spannenden Essens ist
Balls and Glory eine tiptop Adresse! Und man isst da nicht nur gut, man sitzt da obendrein auch noch schön - und zwar in einem tollen Atrium...


Ebenfalls toll: Man bekommt bei Bedarf die Fleisch
bällchenballen auch auffe Hand - und zwar an einem Stab zum Abknabbern. Kann ich mir spontan nicht vorstellen angesichts der flüssigen Füllungen, aber zumindest behaupten dies die Herrschaften auf ihrer
Website. Beim nächsten Mal werde ich das natürlich pflichtschuldig kontrollieren!
Nun ist die Fleischklopsfront natürlich nix für Vegetarier und Veganer, doch auch in dieser Hinsicht hat Gent eine Menge zu bieten. Aber dazu komme ich später. Jetzt fahren wir erst mal Bötchen!
Flaniert man durch das Genter Zentrum, wandelt man zwangsläufig über die vielen schönen Brücken, die über die Wasserstraßen der Stadt führen.
Überall entdeckt man Boote und Kutter, Restaurantfähren und Kanus. Weiter oben habe ich Euch schon vom Ganda-Schinken erzählt. Ganda ist das keltische Wort für Gent und bedeutet "Zusammenfluss". Sehr passend, denn Gent liegt am Zusammenfluss von Leie und Schelde. Auf über 400km (!) langen Wasserwegen kann man
Gent also auch vom Wasser aus erkunden - ob im Rahmen einer Tagestour oder einer kurzen Entdeckungsfahrt, bleibt der eigenen Lust und Laune, dem persönlichen Zeithaushalt und dem Wettergott überlassen. Und da uns zusätzlich zur eisigen Kälte auch die Zeit im Nacken saß, haben wir nur eine kleine Runde gedreht...
Lecker Sektchen, ein bisskn Sonnenuntergangsromantik, plätscherndes Wasser und so viel spannender Kulissen-Input, dass man gar nicht weiß, wo man hingucken soll!
Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, eine überdachte Bootstour zu buchen, aber wir Fotojunkies haben selbstverständlich viel lieber gefroren, als auch nur einen Hauch an Ausblick an ein Dach und an etwas Wärme dranzugeben.
Wärme ist ein schönes Stichwort, denn wir sind in Gent wirklich nur freundlichen, netten und gut gelaunten Herrschaften begegnet. (Achtung, was nun folgt, ist kein konkreter Tipp, sondern eine relevante Feststellung!) Ob im Senfladen oder am Waffelstand, ob im Restaurant oder im Kiosk...die flämische Herzlichkeit zog sich durch das gesamte Wochenende und hat mir wirklich den Eindruck vermittelt, dass sich der Genter im Allgemeinen einfach freut, wenn Leute von außerhalb angereist kommen, um seine Stadt zu besuchen. Und das ist heutzutage ja nicht unbedingt selbstverständlich, schließlich wird man an manchen Orten als Tourist auch gerne mal behandelt wie irgendein doofer Hans Wurst, oder?!

Noch etwas in Sachen Herzlichkeit: In Gent wurden wir von echten "Profis" durch die Stadt geführt. Zum Einen war Christopher von der Agentur
Visit Flanders extra aus Deutschland mit uns angereist und zum Anderen wurden uns zwei wirklich unglaublich tolle Stadtführer zur Seite gestellt. Nun bin ich an und für sich alles, aber kein Freund von klassischen Stadtführungen. "Zur Rechten sehen Sie Bauwerk Bla vom berühmten Architekten Bla Bla aus dem Jahre Dings mit Einflüssen von Bums..." - ganz ehrlich: da schalte ich nach spätestens 3 Minuten auf Durchzug. Ich möchte eine Stadt emotional kennen lernen können und nicht Unmengen an Fakten, Fakten, Fakten aufgebrummt bekommen, die dann schlussendlich meine Wahrnehmung einfach nur noch überlagern. Somit bin ich unseren Stadtführern mit einer ordentlichen Dosis Skepsis begegnet. Oder noch ehrlicher: Da hatte ich NULL Bock drauf!
Aber wie so oft im Leben kam es anders als man denkt, denn Johan und Annemarie, die uns abwechselnd begleiteten, waren einfach der Hammer! Zwei ältere Semester, die beide auf ihre Art und Weise echte Unikate sind. Mit so viel Herzlichkeit, Humor, Schwung und guten Sprüchen habe ich mich in der Kombination von geballtem Wissen wirklich mehr als gerne durch die Genter Straßen führen lassen. Danke für Eure liebenswerte Gesellschaft! Mit Euch Beiden würde ich auch richtig gerne mal durch das Ruhrgebiet jückeln...
So. Ich merke gerade: Dieser Post artet NOCH mehr aus als ich gedacht hätte. Deshalb mache ich an dieser Stelle einen Cut und erzähle Euch beim nächsten Mal von...och, nö, verrate ich noch nicht. Nur so viel: Es wird lecker und bunt! In diesem Sinne: Tot seins! Ich gehe jetzt inhalieren. Der Grippeteufel hat nämlich mal wieder zugeschlagen...
Merke I: Flandern ist toll!
Merke II: "Einfach mal raus" ist sooo wichtig!
*Dies ist ein gesponserter Post, denn ich wurde von
Visit Flanders nach Gent eingeladen, um die Stadt kennen zu lernen und um hier davon zu erzählen. Dafür noch mal ein großes Dankeschön! Trotz Einladung rede ich hier aber nix schön. Meine Freude an der Stadt ist ehrlich. Datt schwör ich auf meine Katzen. Und auf den Genter
Belfried!